21.05.2017 Sehgal-Seminar Mai 2017

Seminarbericht 13.-14. Mai 2017 mit Yogesh Sehgal im Dobelhaus, Bad Boll
An dem 2-tägigen Seminar zur Sehgalmethode begrüßten wir auch wieder Neulinge, die die Methode kennenlernen wollten. Yogesh gelang es, den Bogen von „Anfängern“ zu „Fortgeschritteneren“ zu spannen, ohne die einen zu überfordern und die anderen zu langweilen. Im Gegenteil, man konnte Bekanntes vertiefen oder wieder aus den Untiefen des Gedächtnisses hervorholen.
Die Fallaufnahme
Ein wichtiger Schwerpunkt der homöopathischen Arbeit liegt in der Anamnese. Nur eine gute Fallaufnahme führt auf den richtigen Weg, das passende Mittel zu finden. So klärte Yogesh uns darüber auf, dass Patienten versuchen, dem Arzt oder im Krankenhaus die Version ihrer Krankengeschichte verständlich zu machen und dabei leider auf wenig Interesse stoßen. Sie offenbaren dabei einem nach der Sehgal-Methode arbeitendem Therapeuten einen reichhaltigen Schatz an Informationen. Denn Gefühle, Sorgen, Ängste, Zweifel oder Hoffnungen geben Aufschluss über seinen Geistes- und Gemütszustand.
So äußern Patienten, „ich glaube, ich schaffe das“, oder „ich habe Angst vor den Qualen“ oder „zu sterben“, „ich möchte wissen, was ich tun kann“. Yogesh nimmt diese Aussagen in die Fallaufnahme mit auf. Manchmal hat das, was Patienten erzählen weniger mit der Erkrankung als vielleicht mit dem familiären oder geschäftlichen Umfeld zu tun. Einige bestehen auf einer Diagnose, andere wiederum nicht. Bei allem Respekt vor der Version des Patienten weist Yogesh darauf hin, dennoch nicht alles zu glauben, was der Patient anbietet, sondern genau zu hinterfragen, was er mit seiner Aussage meint. Denn wir vermuten oft nur, es zu wissen und liegen daneben. Schon ist unsere Verordnung fehlerhaft, weil wir etwas interpretiert haben, was nicht zutrifft. Wenn Patienten dazu neigen ausufernd zu plaudern rät er, die Erzählungen abzukürzen und zusammenzufassen. So kann der Patient bestätigen oder korrigieren.
Nun zum Einstieg in die Fallaufnahme: Yogesh möchte zunächst grundsätzlich wissen,“ was will der Patient von mir?“, „weshalb kommt er zu mir?“.
In seinen Antworten auf diese Fragen stecken wichtige Informationen für die Lösung des Falles. Es können unerträgliche Schmerzen sein, die Sorge um die Kinder, ums Geschäft oder Verzweiflung, weil schon alles Mögliche ausprobiert wurde. Es können Ängste auftreten oder die Furcht davor abhängig zu werden, die Furcht vor einer Verschlimmerung oder vor Verletzung. Gefühlsregungen wie Zorn oder ungerecht behandelt worden zu sein geben ebenfalls wichtige Hinweise für die Mittelwahl. All das finden wir im Geist- und Gemütsteil des Repertoriums, der uns hilft, die Version des Patienten zu verstehen und damit unseren Blick auf seine Sicht der Dinge zu erweitern.
Wir konnten den „Torpor“, die große Schwäche bei Gelsemium, im Video beobachten. Der Hyospatient wird uns immer seine „ Furcht betrogen zu werden“ zu zeigen, die sich bei ihm durch das gesamte Bild zieht. Bei Stramonium wiederum ist es die Hilflosigkeit und wie er sie kompensiert. Ignatia, wenn sie aufgibt, gerät in einen Zustand der Fassungslosigkeit, was im englischen „disconcert“ bedeutet. Die Patienten sagen nicht, „ich habe Angst betrogen zu werden“, „ich bin hilflos“ oder „fassungslos“, sie zeigen es uns auf ihre eigene Art und Weise. Die Sehgalmethode vermittelt uns, wie wir das erkennen können.
Behandlung von Kindern
Yogesh präsentierte uns erneut Videofälle über kleine Kinder. Wenn sie sehr klein oder geschwächt sind, muss er sich auf Berichte und die Befragung der Eltern verlassen sowie auf seine gute Beobachtungsgabe. Dabei kann es sein, dass er auch ein Verhalten beim Kind provoziert, was nicht immer auf Gegenliebe bei den Eltern stößt.
So litt ein 3-jähriger Junge an einer schweren juckenden Dermatitis. Er kratzte sich, bis das Blut floss. Dann ließ er ab und kratzte an anderer Stelle weiter. Obwohl das Kratzen sehr weh tat, hörte er nicht auf. Er konnte es nicht kontrollieren. Die Muskeln widersetzten sich seinem Willen, im Repertorium unter „Wille, Muskeln gehorchen dem Willen nicht…“ . Er ließ sich ablenken, wenn man mit ihm nach draußen ging. Das freute ihn und er hörte mit dem Kratzen auf. Das ist das „Verlangen nach Licht“ bei Gelsemium.
Ein weiterer Fall war der eines 2-jährigen Jungen mit gravierender Entwicklungsverzögerung, bei dem die allopathische Behandlung keine Fortschritte gebracht hatte. Er lag nur auf dem Rücken und bewegte sich nicht. Ohne Unterstützung konnte er weder sitzen, stehen noch seinen Kopf aufrecht halten. Nahrung nahm er nur zu sich, wenn ihm etwas gefüttert wurde. Er reagierte nicht, zeigte an nichts Interesse, auch keine Emotionen, nahm alles so hin wie es war. Es gibt die Rubriken „Gleichgültigkeit liegt mit geschlossenen Augen“, „akzeptiert die Realität“ und „Bittet um nichts“.
Cocculus heilte diese gravierende Entwicklungsverzögerung des kleinen Jungen, indem er langsam Kraft, Wille und Interesse entwickelte. Einen Hinweis auf Cocc. griff Yogesh auf, denn der Vater des Jungen war auch ein Cocc.-Patient. Deshalb sollten wir auch immer die Eltern im Blick haben, wenn wir Kinder behandeln. Oft gibt es Übereinstimmungen.
Um ein Ignatiakind zu erkennen, sollte man sich merken, dass es sich bei Kränkung oder Widerspruch beleidigt in sein Zimmer zurückziehen wird um nach einer Stunde wiederzukommen, als wäre nichts geschehen, denn Ign. ist auch nachgiebig.
Differenzierung Ignatia und Tuberculinum
Im Video sahen wir einen 4-jährigen Jungen, der nach Fieber eine starke Schwäche zurückbehalten hatte. Vor diesem Fieber war er ganz normal. Die Bluttests ergaben keinen Befund. Fehlender Appetit, Zornausbrüche und Schlagen waren die Auffälligkeiten. So verlangt er nach bestimmten Dingen, die kaum zu erfüllen waren. Wurde ihm der Wunsch nicht erfüllt, so schlug er nach seinen Eltern oder warf mit Dingen um sich. Das führte zu Tub.
Die Differenzierung von Ignatia und Tuberculinum erstaunte uns dann doch sehr.
Bei Ignatia finden wir Reizbarkeit durch Widerspruch, Tuberculinum dagegen ist zerstörerisch, zornig, wirft mit Dingen, wenn ihm Wünsche versagt werden und er quält sich auch selbst.
Ignatia gibt nach, aber man muss sie in Ruhe lassen. Tub. dagegen bleibt stur, dickköpfig und gibt nicht so leicht nach.
Fall von Essstörung
Die Fallaufnahme einer Ärztin, Radiologin, selbst Homöopathin führte uns an Natrium carbonicum heran. Ihre Angst bestand darin, sich Herausforderungen nicht stellen zu können. Gewichtsprobleme, Essstörungen, hoher Blutdruck, Schmerzen in den Füssen, Schlafstörungen und Hitzewallungen plagten sie. Sie übte ihren Beruf nicht aus, weil sie Angst hatte, Fehler zu machen bzw. zu versagen. Sie wollte perfekt sein. Wir finden die Rubrik „Wahnidee richtig machen, er würde nichts“ und ihre Ernsthaftigkeit drückt sich in der Rubrik „Ernsthaft“ aus, sie nimmt ihre Arbeit zu ernst, deshalb auch die Versagensängste.
Es gibt noch mehr dieser gewissenhaften Mittel wie z.B. Aurum, das Selbstmord begehen kann, wenn es etwas falsch macht.
Ihr müsst immer die Idee hinter den Mitteln verstehen, so Yogesh. Denn das Kombinieren von Gemütsrubriken alleine führt auch in der Sehgalmethode nicht zum Erfolg.
Die obige Dame zeigte auch eine „Furcht vor Gewitter“. Was bedeutet nun Gewitter? Blitz und Donner im übertragenen Sinne können auch mit Kritik oder harschen Worten gleichgesetzt werden. Zuhause oder im Geschäft kann es auch krachen. Sie naschte gerne, „Verlangen zu naschen“ und sie war ein Gourmand bzw. Schlemmer/Feinschmecker, der nach weiteren leckeren Sachen schielt, auch wenn er schon satt ist.
Behandlung von Krebspatienten
Yogesh berichtet zum Abschluss des Seminars auch über seine Erfahrungen in der Behandlung von Krebsfällen. In Deutschland sei das wegen der gesetzlichen Lage wesentlich schwieriger. Auch bei diesen Patienten stellt er deshalb zu Beginn die Frage, weshalb kommt ein Krebspatient zu mir in die Praxis? Welche Motivation treibt ihn an, kommt er auf Empfehlung, vertraut er uns und weshalb oder ist es die Ausweglosigkeit?
95 % kommen, weil allopathisch alles ausgeschöpft wurde. Ein weiterer Grund können die Nebenwirkungen der Chemo/Bestrahlungstherapie sein. Manche kommen, um ihre Lebensqualität zu verbessern.
Die Sorgen und Ängste des Patienten betreffen nicht immer in der Hauptsache den Tumor, das erstaunt doch sehr.
Wir erfuhren von dem Fall einer Lehrerin mit Krebsdiagnose und dem eines männlichen Patienten bei dem ein Prostatakarzinom erfolglos mit Bestrahlung und Chemotherapie behandelt worden war. In beiden Fällen war die homöopathische Behandlung erfolgreich. Anhand dieser Beispiele drangen wir tief in das Verständnis weiterer Gemütsrubriken von Gelsemium ein. Wenn ein Patient äußert, er habe so Schreckliches über Krebs oder die Behandlung gehört, sollen wir auch an die Rubrik „Schreckliches und traurige Geschichten greifen sie stark an“ denken. Die Patientin war sehr traurig und hatte keine Energie. Aber sie wollte Hoffnung, das gab ihr Licht. Im Falle des männlichen Patienten lag eine große Schwäche, der „Torpor“ vor.
Yogesh klärte uns zum Schluss noch über die Begriffe auf, was bedeutet das „richtige Mittel“ und was das „Similium“. Beide zeigen eine Wirkung. Der Patient erfährt eine Erleichterung durch die Beseitigung seiner Symptome, die aber in Folge immer wieder auftreten und was meist zu einem Mittelwechsel führt. Das Similium dagegen wirkt so umfassend auf die Dynamis, dass im Wiederholungsfall nur die Potenz angepasst werden muss. Ein wichtiger Hinweis für die Praxis, wir sollten erst einmal die Potenzen ändern, bevor wir das Mittel wechseln.
Ein Dankeschön an Yogesh, es war ein sehr abwechslungsreiches und spannendes Seminar.