01.05.2004 Seminarbericht einer Teilnehmerin

In dem neuesten Seminar mit der Sehgal-Methode erarbeiteten die Referenten Drs. Sanjay und Yogesh Sehgal mit den Kursteilnehmern verschiedene Themen. Das Seminar bot Anfängern die Möglichkeit neu einzusteigen, Fortgeschrittenen Vorhandenes zu vertiefen und Neues kennen zu lernen.
Wie die erste Begegnung mit Patienten ablaufen kann, wurde anhand von Beispielen erarbeitet. Wie die ersten Äußerungen aufzunehmen, richtig zu interpretieren und in entsprechende Gemütsrubriken des Repertoriums umzusetzen sind: z.B. äußern Patienten häufig: "Ich habe Angst, dass die Krankheit außer Kontrolle gerät" oder " Die Beschwerden dauern schon so lange, ich habe die Nase voll, sie werden nicht besser." Die Referenten erläuterten, wie diese alltäglichen Aussagen beachtet werden sollen und wie sie in die Fallaufnahme zu integrieren sind. Dazu gehört eine wie bereits von Hahnemann geforderte vorurteilsfreie Beobachtung, denn die Wahrnehmung der verbalen un nonverbalen Äußerungen des Patienten haben große Bedeutung für die Arzneimittelfindung.
Neben Fallaufnahme und Anamnesetechnik lernten die Seminarteilnehmer wie man Arzneimittel innerhalb einer Rubrik differenziert. Dies wurde am Beispiel folgender Rubriken vermittelt:

Gleichgültigkeit liegt mit geschlossenen Augen mit den Mitteln Cocculus, Sepia und Argentum nitircum - warum und auf welche Weise sie gleichgültig sind und welches die für sie unterscheidenden Rubriken sind.

Wahnidee Unrecht erlitten zu haben mit Lyssinum, Lachesis, Hyoscyamus und Naja. Auf welche unterschiedliche Weise erleben diese vier Mittel das ihnen widerfahrene Unrecht. Die unterstützenden Rubriken zeigten deutlich, wie unterschiedlich die Empfindungen in Bezug auf das erlittene Unrecht sein können. 

Differenzierung von Hyoscyamus und Opium. Da es im Praxisalltag oftmals schwierig ist, diese beiden Mittel zu unterscheiden, folgte eine exakte Differenzierung, denn beide sind in der Rubrik Gleichgültigkeit klagt nicht zu finden. Gemeinsam ist ihnen Furcht. Beispiele zeigten, wie Hyoscyamus zu der Furcht betrogen zu werden kommt und Opium seine Furcht vor Extravaganz ausdrückt.
Ein weiteres Highlight des Seminars erlebten die Teilnehmer durch die lebendige Darstellung von Kinderfällen. Kinder genau zu beobachten und zu befragen ist ebenfalls eine Kunst, die am Beispiel von Fällen mit Ruhelosigkeit und schwerer Hautinfektion anhand von Lachesis und Hyoscyamus demonstriert wurde.
Das Kind, das niemals ruhig sitzen konnte. So findet man im Repertorium die Rubrik Abneigung zu sitzen. Faszinierend erlebten die Teilnehmer wie beeindruckend und lebendig das Verhalten des Kindes vorgeführt wurde.
Ein Kind mit schwerer Hautinfektion, das zum Arzt sagte, es müsse so leiden, weil die Eltern falsche Informationen geben würden. Dahinter die Furcht betrogen zu werden zu erkennen, darin liegt die Kunst der Sehgal-Methode. Tiefe Einblicke erhielten die Teilnehmer am Beispiel eines schwerkranken Patienten, wie die Reise der Behandlung von Tarentula über Plumbum zu Mercurius führte. Zahlreiche Rubriken und weiterführende Fallbeispiele zu diesen Mitteln ergänzten die Darstellung.
Einen weiteren Höhepunkt des Seminars bildete die Darstellung von Hepar sulphuris. Es besteht aus den Bestandteilen Calcium und Sulphur. Es enthält daher Elemente aus beiden, unterscheidet sich aber sehr von diesen, wobei die Schatten von beiden Mitteln immer wieder erkennbar werden.
Hepar sulphuris hat das Gefühl von Feuer und ist sehr schmerzempfindlich. Dennoch trifft es keine Vorkehrungen sich zu schützen. So sagt eine Hepar sulphuris-Patientin: „Weshalb soll ich mit meinem geschwollenen, schmerzhaften Zeh vorsichtig sein. Ich kann weder verhindern mich anzustoßen, noch dass jemand mich stößt.“ Deshalb ist Hepar sulph. nicht vorsichtig. „Ich kann andere nicht stoppen, was nützt mir da die Vorsicht.“ Es ist zwar die Furcht vor Schmerz vorhanden, aber dennoch ist keine Vorsicht dabei. Der Patient gibt vernünftige Erklärungen und Begründungen ab, indem er sachlich vernünftig argumentiert. Z.B. sagt er: „Es wird immer jemanden geben, der dran stößt, ich kann das nicht verhindern, deshalb gehe ich trotzdem unter Menschen“, und liefert damit auch Begründungen, die keine weiteren Fragen mehr offen lassen. Das ist die Fähigkeit zur Philosophie. Beispielsweise hat jemand einen dicken, schmerzhaften Zeh und geht doch nicht zum Arzt, weil er hofft, dass der Abszess von selbst aufgeht. Er hat eine große Angst vor dem Schnitt mit dem Skalpell. Deshalb wird er den Besuch beim Arzt auch immer wieder hinaus schieben. Hepar sulph. muss sich bewegen und arbeiten. Er kann es sich nicht leisten, nicht zu arbeiten, weil er arm ist. Er hat auch nicht die Stärke von Sulphur, den Schmerz zu ertragen. Die Rubrik hierzu: Wahnidee er sei arm. Calcium ist dagegen nicht empfindlich gegen Schmerz, hat weder Furcht vor Berührung noch Angst vor Verletzung, aber sagt, dass er den Schmerz nicht ertragen will, er will ihn los sein. Der Schmerz ist für Calcium das Problem. Er hindert ihn bei der Arbeit. Er hasst es, sich hinlegen zu müssen. Wir finden Calcium in den Rubriken Traurigkeit bei Müßiggang und Furcht vor Leiden. Deshalb muss der Schmerz weg. Erst muss der Schmerz verschwinden, damit er seine Tätigkeiten erledigen kann, danach lässt sich Calcium auch homöopathisch behandeln. Sulphur denkt, er kann alles ertragen, er fühlt sich reich an Gesundheit oder materiellen Dingen, deshalb finden wir Sulphur auch in Wahnidee von Reichtum und in frivol. Wann und warum kommt Sulphur dann zur Behandlung? Wegen der Sorgen um sein Geschäft und der Furcht vor Armut. Er erträgt den Schmerz, weil er beharrlich ist, bis er spürt, er wird schwächer und schwächer, dann sieht er seinen Reichtum bedroht. Sulphur finden wir deshalb auch in den Rubriken Wahnidee dünn und Furcht vor Armut. Während Calcium und Sulphur die Furcht vor Armut haben, steht Hepar sulphuris in der Rubrik Wahnidee er sei arm. Ihm fehlt die Stärke, er ist zu arm, um den Schmerz zu ertragen. Hepar sulph. will andere nicht belästigen, er will selbst mit dem Problem fertig werden, das ist der Schatten der Ichbezogenheit von Calcium und Sulphur. Deshalb hat Hepar sulphuris auch Angst um andere und wir finden es auch in Sorgen voller um Verwandte, weil er eigentlich selbst mit seinen Problemen fertig werden möchte. So wie die Patientin, die nachfolgend beschrieben wird, ihren Sohn nicht mit ihren Problemen belasten möchte, ihm aber indirekt ständig Vorwürfe macht.
Des weiteren wurde Hepar sulphuris an Fällen verdeutlicht mit jeweiliger Abgrenzung zu den Mitteln Sulphur und Calcium, die doch immer wieder durchscheinen.
Die Referenten betonten, dass unter den vielen Hinweisen, die uns der Patient gibt, es oft wichtig ist, den richtigen Einstieg in das gegenwärtige, vorherrschende und anhaltende Problem zu finden, um sich nicht in Nebenschauplätzen zu verlieren.
Die Teilnehmer erlebten ein gut strukturiertes, vielseitiges Seminar, das viele Anregungen und Informationen für den Praxisalltag lieferte